An den meisten Pegeln in Deutschland bewegt sich die Wasserführung derzeit im Niedrigwasserbereich, an einigen unterhalb Mittelwasser und nur an ganz wenigen (äußerster Süden und Norden) oberhalb der Mittelwasserstände:
An dieser Lage wird sich so schnell nicht durchgreifend etwas ändern. Schaut man sich die 10-d-Niederschlagsvorhersage des ECMWF an, so ist dort nicht viel an Regen zu sehen:
Mit Blick auf Sachsen bedeutet das, dass sich an der ausgeprägten Niedrigwassersituation zunächst nichts grundlegend ändern wird, bzw., dass sie sich in den nächsten Tagen eher wieder etwas vertiefen wird.
Obschon 2020 bisher ein geringeres Niederschlagsdefizit als 2019 und vor allem als 2018 aufweist (was man hier gut nachvollziehen kann), wirken die Jahre 2018 und 2019 gewissermaßen noch nach; durch das große angehäufte Niederschlagsdefizit kam es zu einer stark reduzierten Grundwasserneubildung und damit zu nach wie vor fallenden Grundwasserständen.
Da im Trockenwetter der Durchfluss ganz maßgeblich aus dem Grundwasser gespeist wird („Basisabfluss“), bedeuten fallende Grundwasserstände immer auch eine zurückgehende Wasserführung in den Fließgewässern.
Ergiebige Niederschläge sorgen bei dieser Gemengelage nur kurzfristig für Entspannung. So wirken sich heute, circa 10 Tage später, die hohen Regenmengen in Sachsen von Ende August (teilweise fielen in 24 Stunden mehr als 80 Liter auf den Quadratmeter – siehe Hydrologischer Wochenbericht des Landesumweltamtes) nun kaum noch lindernd auf die Niedrigwasserlage aus. Der Regen ist sprichwörtlich vom Boden wie von einem Schwamm „aufgesogen“ worden.
Und so wird es auch ersteinmal weitergehen, wenigestens für die kommenden ~10 Tage…
Sicher ist das nicht so elaboriert, wie beispielsweise das schöne Portal www.drought.ch* aus der Schweiz von der @WSL_research um Kollege @Hydrology_WSL, aber immerhin bietet es eine Zusammenschau zum Thema Niedrigwasser über alle Ländergrenzen hinweg.
Nun, „Wasser“ ist in Deutschland vor allem „Ländersache“ und daher liegen der im Pegelportal verwendeten Niedrigwasserklassifikation unter Umständen auch unterschiedliche Ansätze, Schwellenwerte etc. zu Grunde. Aber – wie gesagt, es ist ein (imho guter!) Anfang.
Und wer weiß, vielleicht bietet die aktuelle Niedrigwassersituation ja den Anlass, dass Länder und Bund hier noch einiges methodisch „glattziehen“ mögen.
— Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (@LfULG) January 21, 2020
Die Trockenheit (Niederschlagsarmut) der vergangenen beiden Jahre 2018 und 2019 war insbesondere in Ostdeutschland ausgeprägt; zwei aufeinanderfolgende Jahre mit so wenig Niederschlag – das ist schon selten, kommt aber hin und wieder vor, wie ein Blick auf die Auswertung des DWD zeigt:
Auswirkung hat das Niederschlagsdefizit natürlich allenthalben. Besonders die ungesättigte (Bodenfeuchte) und die gesättigte Zone (Grundwasser) zeigen Spuren, welche durch die defizitären Niederschlagsverhältnisse der letzten Monate verursacht sind. So liegen die Bodenfeuchten im Osten der Republik aktuell noch deutlich unter den monatstypischen Werten:
Bei genereller Niederschlagsarmut fallen neben den Grundwasserständen auch die Wasserstände in den Fließgewässern. Schaut man sich für Sachsen den Anteil der Pegel an, welche eine Wasserführung im Niedrigwasserbereich aufweisen, so fällt folgendes auf: Grundsätzlich war im Jahre 2018 die Niedrigwassersituation etwas stärker ausgeprägt, als im Folgejahr 2019. Stellt man die Jahre 2018 + 2019 + 2020 direkt gegenüber, ergibt sich folgendes Bild:
Bemerkenswert dabei ist, dass aktuell (Anfang 2020), die Niedrigwassersituation nicht minder angespannt ist, als Anfang 2019. Ursache dafür ist, dass in weiten Teilen Ostdeutschlands nach wie vor, durch die Niederschlagsarmut bedingt, bodenwasserhaushaltliche Defizite vorliegen, so auch in Sachsen. In Nord- und vor allem Ostsachsen belaufen sich diese auf schwereren und mächtigeren Böden mittlerweile auf einige hundert Millimeter.
Erst wenn diese Defizite ausgeglichen sind, kann es zu einer nachhaltigen Erholung der Wasserführung in den Fließgewässern kommen. Sollte die Witterung in den kommenden Monaten nicht überdurchschnittlich nass ausfallen, so wird sich der Anteil der Pegel im Niedrigwasser spätestens im Frühsommer wieder deutlich erhöhen.
Heuer geistern, wahrscheinlich getriggert durch aktuelle Einzelereignisse wie die 2018er-Trockenheit, die aktuelle (Noch-)Trockenheit oder lokal verheerende Starkregen/Sturzfluten wie im Vogtland im Mai 2018, argumentativ-kausale Verbindungen zwischen solcherlei Ereignissen und dem Klimawandel in den (v.a. sozialen) Medien herum (teilweise in Ausprägungen wie #Klimakrise). Manchmal scheint es so, als wird da einfach mal “einer rausgehauen”.
Nur mal eines von unzähligen Beispielen:
Im Gegensatz zum Zittern von Merkel sind die zunehmenden Waldbrände, auch in Kalifornien, sehr wohl ein Ergebnis des Klimawandels, den sie dann auch noch weiter beschleunigen. Die Waldbrände gefährden unsere Gesundheit durch Feinstaub stark. Gefahrengebiete müssen wir sichern https://t.co/wHECz1KQ7k
Das ist ziemlich unwissenschaftlich. Warum, will ich im Folgenden kurz darlegen.
Extremereignisse sind in zweierlei Hinsicht extrem: Sie sind erstens selten und zweitens gehen Sie u.U. mit spürbaren Auswirkungen für die Betroffenen einher (sog. Low Probability/High Impact Events). Beides ist für eine objektive Wahrnehmung durch uns Menschen herausfordernd; etwas, was sehr selten ist und uns gleichzeitig schadet, wirkt zunächst eher emotional und subjektiv auf uns.
Problematisch wird es, wenn diese Subjektivität sich in der Argumentation niederschlägt. Nehmen wir das Beispiel Niederschlag/Starkregen. Dieser Tage bin ich zufällig beim Aufräumen auf einen alten Ausdruck aus unserem Frühwarnprojekt gestoßen (siehe Bild). Er zeigt die Häufigkeit nach Schwellenwerten klassifizierter 6-h-Summen des Gebietsniederschlages für eines “unserer” 16 Frühwarngebiete integral für einen 3-Jahres-Zeitraum.
Es sind diverse Niederschlagsprodukte dargestellt; widmen wir uns nur mal den Niederschlagsmessdaten (schwarze Balken). Nicht dargestellt/ausgewertet sind all jene 6-h-Intervalle, in denen kein Regen vorhanden war (0 mm).
Häufigkeit nach Schwellenwerten klassifizierter 6-h-Summen des Gebietsniederschlages (logarithmierte Ordinate!)
Wir ersehen folgende Häufigkeiten bestimmter Niederschlagsereignisse innerhalb des dreijährigen Betrachtungszeitraumes:
Schwellenwert Häufigkeit
0,1 mm > 1000
1 mm > 500
2 mm > 300
5 mm > 100
10 mm > 30
15 mm ~ 9
20 mm ~ 4
25 mm ~ 2
30 mm 0
Jetzt muss man noch wissen, dass eigentlich erst in den 1990er/2000er-Jahren flächendeckend angefangen wurde, mit sub-täglichen Auflösungen Niederschlag zu erfassen (meist stündlich) und dass erst das Wetterradar, was in Deutschland seit rund 20 Jahren verfügbar ist, auch eine sub-stündliche und vor allem räumlich gut aufgelöste Niederschlagsquantifizierung zulässt.
Gehen wir also mal bestenfalls davon aus, dass wir z.B. 30 Jahre “gute” Kenntnis über das sub-tägliche Niederschlagsgeschehen hätten* und damit eine Datenbasis, mit der man Statistik machen könnte, und extrapolieren wir mal die o.g. Häufigkeiten des 3-jährigen Betrachtungszeitraumes (Faktor 10), so stellen wir fest, dass beispielsweise die Ereignisse > 20 mm in 6 h geschätzt 60 mal in unserer 30-jährigen Basisperiode auftauchen müssten. Das sind größenordnungsmäßig 60 mal 6 h von 30 Jahren (bzw. von 43.800 6-h-Intervallen) – also haben wir ein “Signal” für die in Rede stehenden Ereignisse in ca. 0,14 % der Fälle.
*Steht hier im Konjunktiv, denn die raum-zeitliche Erfassung des Niederschlags ist weder mit Stationsmessungen, noch mit Radar ohne Unsicherheiten zu haben. Aber das ist ein anderes Thema…
Auch ohne statistischen Signifikanztest sehen wir, dass es einen massiven Stichprobeneffekt gibt. Das heißt NICHT, dass wir mit den Daten keine Statistik machen können – das geht schon und ist auch gut so. Zum Beispiel macht der DWD die als KOSTRA bekannte “Koordinierte Starkniederschlagsregionalisierung und -auswertung”. Was es hingegen heißt ist, dass statistische Schätzungen auf der beschriebenen Datenbasis mit erheblichen Schätzfehlern behaftet sein MÜSSEN!
Auch das ist nicht weiter schlimm. Schlimm wird es nur, wenn aktuelle, empirische Beobachtungen (a.k.a. Extremereignisse) in ihrer Ausprägung einer ÄNDERUNG ihres Häufigkeitsverhaltens (a.k.a. stattfindender Klimawandel) zugeschrieben werden und eben nicht auch vor dem Hintergrund der oben angesprochenen Schätzunsicherheiten bezüglich der Eigenschaften der Grundgesamtheit diskutiert werden. Schätzunsicherheiten werden vor allem bei Untersuchung sub-täglicher Niederschlagsdaten stets um Größenordnungen stärker wirken, als Änderungssignale der Grundgesamtheit.
Die bis hierhin gemachten Aussagen bezüglich Starkregen beziehen sich explizit auf sub-tägliche Daten (welche aber nun mal notwendig sind, um das Thema “lokale Starkregen mit Hochwasser” zu betrachten).
Ähnlich schwierig sieht es hinsichtlich Trockenheits-Ereignissen (wie 2018) aus. Hier gilt zunächst dasselbe: Bei extremen/seltenen Ereignissen wird es sehr vage, diese einer geänderten/instationären Klimatologie zuzuschreiben.
Beispielsweise schreiben dazu Seneviratne et al. im IPCC SREX 2012 bezüglich bisher beobachtbarer Veränderungen (“Observed Changes”) im Häufigkeitsregime von Trockenheiten:
In Europe, there is medium confidence regarding increases in dryness based on some indices in the southern part of the continent, but large inconsistencies between indices in this region, and inconsistent or statistically insignificant trends in the rest of the continent (Table 3-2). Although Dai et al. (2004) found an increase in dryness for most of the European continent based on PDSI, Lloyd-Hughes and Saunders (2002) and van der Schrier et al. (2006b) concluded, based on the analysis of SPI and self-calibrating PDSI for the 20th century (for 1901-1999 and 1901-2002, respectively), that no statistically significant changes were observed in extreme and moderate drought conditions in Europe [with the exception of the Mediterranean region in van der Schrier et al. (2006b)]. Sheffield and Wood (2008a) also found contrasting dryness trends in Europe, with increases in the southern and eastern part of the continent, but decreases elsewhere.
Auch hier zeigt sich also ein eher heterogenes, statistisch eher insignifikantes Bild. Also noch mal als “Lehrsatz”: Gerade bei Extremereignissen (welche naturgemäß stets stark wahrgenommen werden) ist es aus statistischer Sicht oftmals nicht zulässig, daraus abzuleiten, dass sich das zu Grunde liegende Häufigkeitsregime verändert hätte. Oder etwas salopper formuliert: Ein Einzelereignis ist mitnichten ein Beleg für den Klimawandel.
Nachtrag: Das soll natürlich nicht heißen, dass der unstrittig belegbare anthropogen verursachte Klimawandel keine Auswirkungen auf das Niederschlagsregime hat – im Gegenteil. Es ist davon auszugehen, dass der Klimawandel auf unterschiedliche Art und Weise das Niederschlagsgeschehen beeinflussen wird und es bereits jetzt schon beeinflusst. Die aktuelle Thesenlage ist, dass in Deutschland die Jahresniederschläge tendenziell etwas zunehmen und dass gleichzeitig Extremereignisse wie Starkregen oder langanhaltende Trockenheiten häufiger und intensiver werden. Solcherlei Veränderungen sind maßgeblich auf Grund der limitierten Verfügbarkeit raum-zeitlich hochaufgelöster Niederschlagsdaten (vor allem aus Radar) in der Regel derzeit aber noch nicht statistisch signifikant nachweisbar.